Hintergrund
Herausforderung Inobhutnahme
Gruppenleiterin Wanda Buchholz möchte im neuen Strolchenhof Kindern ihre Unbeschwertheit wiedergeben
Wenn Wanda morgens in ihren Arbeitsplatz kommt, weiß sie meist nicht, wie sich ihr Tag gestalten wird und welche Aufgaben auf sie warten. „Natürlich stehen auch jede Menge Termine an“, berichtet sie, „beispielsweise mit Jugendämtern oder interessierten Pflegeeltern. Aber unsere Hauptaufgabe liegt in der Betreuung bei uns lebender Kinder – und da ist in jedem Moment einfach alles möglich.“
Erst seit dem 01. April läuft der Betrieb im Strolchenhof, der neuen Inobhutnahme der Kleinen Strolche in Asendorf. Bereits nach den ersten wenigen Tagen waren alle Plätze belegt: Sieben Kinder zwischen 2 und 11 Jahren, davon zwei Geschwistergruppen, haben nun hier Zuflucht gefunden und sollen in der kommenden Zeit Sicherheit sowie ein wenig Kindheit wiedererlangen. Auf dem Resthof mit großem Grundstück zwischen Wiesen, benachbarten Schafen und schmalen Straßen haben die Kleinen viel Platz um durchzuatmen. Wanda weiß, wie schwierig sich die Eingewöhnung manchmal gestaltet: „Die meisten Inobhutnahmen geschehen für die Kinder komplett unvermittelt. Sie wissen oft nicht, dass der Drogenkonsum der Eltern, die Vernachlässigung oder die körperliche Gewalt nicht normal sind und dass sie davor geschützt werden müssen.“
Die Informationen, die Wanda und ihr Team vor dem Einzug des Kindes erhalten, sind daher auch sehr unterschiedlicher Art. Wenn die Familie bereits einige Zeit durch das Jugendamt begleitet wurde, sind die Akten schon gut gefüllt, es gibt Berichte des Case Managers vom Jugendamt, vielleicht von Kinderärzten, Therapeuten, Gutachtern. Daneben existieren aber auch Fälle, bei denen selbst das Alter des Kindes nur ungefähr geschätzt werden kann. „Ist die Aufnahme durch die Kleinen Strolche geklärt, geht alles meist sehr schnell“, erzählt Wanda. Nach Möglichkeit bereiten die Mitarbeiter das Zimmer vor Ankunft des Neuankömmlings vor, legen geeignete Kleidung raus und gestalten eine Namensgirlande – denn die kleinen Gäste sollen sich möglichst bald wohl- und angenommen fühlen. „Ich führe das Aufnahmegespräch mit dem Jugendamt und versuche alles über die Vorgeschichte, Tagesstrukturen, Allergien, sonstige gesundheitliche Probleme, Familienkonstellationen und anstehende Arzt- oder Gerichtstermine zu erfahren. Parallel kümmert sich einer aus dem Team um eine behutsame Kontaktaufnahme zum Kind. Es bekommt das Haus gezeigt, kann sich im zukünftigen eigenen Zimmer umsehen und bekommt die erste Mahlzeit.“ Große Bedeutung kommt der ersten körperlichen Begutachtung zu: Beim Baden versucht sich das Team einen Überblick über mögliche Verletzungen, Läusebefall oder Mangelernährung zu machen. „Einen strengen Zeitplan halten wir in den ersten Tagen nicht ein, das Kind soll ankommen, sich entspannen und von der stressigen Situation Abstand gewinnen.“
So unterschiedlich die verfügbaren Informationen bei der Aufnahme sind, so verschieden gestalten sich die Kontakte zu den leiblichen Eltern und zur Herkunftsfamilie wie beispielsweise Groß- oder Pflegeeltern. Manche Kinder sehnen sich sehr nach Mutter oder Vater, andere sind erleichtert und möchten nie zurück. „Wenn es um die Besuchskontakte geht, liegt die Verantwortung und das Bestimmungsrecht komplett beim Jugendamt. Insgesamt ist eine offene Kommunikation und eine authentische Arbeit mit dem Jugendamt unerlässlich – nicht nur wenn es um anonym untergebrachte Kinder geht“, stellt Wanda klar. Der Strolchenhof ist speziell ausgerichtet und zertifiziert für die Aufnahme von Geschwisterkindern, auch hieraus ergeben sich manchmal spezielle Situationen: „Geschwister zeigen oft eine ganz eigene interne Dynamik. Wir versuchen, die Kinder zu ermutigen, mal alleine oder mit anderen Kindern als Bruder oder Schwester zu spielen. Sie sollen die Sicherheit spüren, dass die Geschwister auch nach einer Alleinzeit noch da sind. Ältere Kinder haben in der Vergangenheit häufig zu viel Verantwortung für jüngere Geschwister übernommen, haben zum Beispiel dafür gesorgt, dass diese genug zu essen haben. Diese Verhaltensmuster müssen sie nach Möglichkeit wieder ablegen und wieder lernen, was es heißt, ein Kind zu sein.
Für die Zukunft wünscht sich Wanda, dass sich der gute Start des Strolchenhofs sowohl für die Kinder als auch für das Team fortsetzt: „Ich liebe, dass das gesamte Haus so wunderbar hell und freundlich eingerichtet ist, das trägt sehr zum Wohlgefühl unserer Kinder bei. Im großen Garten können die Kleinen die Welt entdecken, zwei unserer Kinder haben direkt in den ersten Tagen auf der Hofeinfahrt Fahrrad fahren gelernt. Auf dem Spieleboden ist Raum bei Schlechtwetter und auch für uns Mitarbeiter ist viel Platz, so haben wir eine eigene Mitarbeiterküche und einen eigenen Pausenraum, in dem wir nach stressigen Situationen Luft holen können. Für sehr wichtig halte ich auch unser eigenes Therapiezentrum, in dem unsere Kinder bei Bedarf ganz unkompliziert und ohne behördlichen Antrag Traumatherapie oder Therapeutisches Reiten erhalten.“