Hintergrund

DAS GLÜCK DER ERDE LIEGT AUF DEM RÜCKEN DER PFERDE

Reittherapeutin Beke Hollenbach über Aufgaben und Chancen ihrer Arbeit bei den Kleinen Strolchen

Beke Hollenbach begleitet förderbedürftige Kinder und Mütter bei den Kleinen Strolchen und arbeitet für sie individuelle Reittherapien aus. Mit viel Geduld und Einfühlungsvermögen kombiniert sie Elemente aus Psychologie, Physiotherapie, Ergotherapie und sozialer Interaktion, um gemeinsam mit einem der vier Therapieponys ihre Klienten individuell in ihrem Heilungsprozess zu unterstützen. „Mit diesem ganzheitlichen Ansatz kann ich sowohl auf sozialer und emotionaler als auch kognitiver und körperlicher Ebene viel erreichen“, erklärt sie begeistert.

Im Rahmen der Reittherapie berät Beke sich regelmäßig mit den pädagogischen Fachkräften und schaut, wo genau der Förderbedarf liegt. Darauf basierend erstellt sie für Kinder einen groben Plan mit verschiedenen Spielen und Aktivitäten. „Am Anfang jeder Stunde schaue ich jedoch, was für das Kind an dem Tag gerade passend ist“, macht Beke klar. „Hat ein Kind beispielsweise viel zu verdauen, ist die Kapazität Neues zu lernen vielleicht geringer und es mag lieber mit dem Pony schmusen und sich tragen lassen.“ Immer gleich ist jedoch zu Anfang das Begrüßen der Ponys und das gemeinsame Überlegen, wie diese wohl gelaunt sind. Danach erst beginnt die eigentliche Therapiestunde mit Putzen, Reiten, Spazieren gehen, Füttern, Picknick usw. Am Ende steht immer ein Apfel für das Pferd und wenn es mag, auch für das Kind.

„Pferde sind von Natur aus sehr soziale Wesen“, erzählt Beke. „Sie gehen komplett unvoreingenommen auf unsere Kinder und Mütter zu, sie interessieren sich nicht für ihre Vorgeschichte. Auf uns Menschen haben sie oft eine beruhigende Wirkung.“ Der Grund dafür liegt in ihrer langsameren Atmung und einer leicht höheren Körpertemperatur. Diese Kombination kann zur Co-Regulation führen und somit helfen, Stress abzubauen. Neben ihrem Einsatz bei den Kleinen Strolchen bildet Beke sich im Bereich Atemtherapie fort: „Der Atem ist eine der effektivsten Möglichkeiten, um uns selbst zu regulieren. Hier nutze ich unsere Tiere, indem ich die Kinder die Hand auf den Bauch der Ponys legen und ihren Atem wahrnehmen lasse.“ Dadurch macht das Pferd erlebbar, wie sich der Atem ändert, wenn das Pferd beispielsweise nervös ist. Das ist eine einfache Möglichkeit, wie auch die Mütter und Kinder ihren Atem wahrnehmen und ein Bewusstsein dafür entwickeln können, wohin der Atem in ihrem Körper fließt und wie er sich in verschiedenen Situationen verändert.

Aber nicht nur im körperlichen, sondern auch im emotionalen Bereich hat die Arbeit mit Pferden viele Vorteile: Sie leben im Moment und dienen mit ihrer Sensibilität als Spiegel unserer selbst. „Ich merke das bei meinen Kindern immer wieder“, führt Beke aus. „Besteht beispielsweise eine große Anspannung im Körper? Sind da vielleicht unterdrückte Emotionen? Ist das Kind oder die Mutter mit dem Kopf ganz woanders als im Stall? Pferde nehmen dies wahr und reagieren entsprechend emotional.“ Auch andersherum funktioniert dieser Mechanismus sehr gut, denn es ist recht einfach, Emotionen beim Pferd zu erkennen. So fällt es vor allem Kindern manchmal leichter, die eigenen Gefühle zu externalisieren und diese auf das Pferd zu übertragen. „Die Kinder sagen zum Beispiel, das Pferd sieht heute traurig aus, weil seine Mama nicht bei ihm geschlafen hat.“ Auch die bei den Kleinen Strolchen untergebrachten Mütter können viel von den Vierbeinern lernen. Möchten sie beispielsweise, dass das Pferd ruhig neben ihnen herläuft, brauchen sie eine gewisse innere Ruhe und klare Kommunikation, um dies zu erreichen. Durch solche Übungen fällt ihnen oft spielerisch auf, wie unklar ihre Kommunikation eigentlich ist. „Das Schöne an der Reittherapie ist, dass Pferde reagieren, ohne Vorwürfe zu machen. Es bleibt einfach stehen oder geht vielleicht ein bisschen schneller. So haben meine Klienten Zeit um wahrzunehmen, was gerade passiert. Es ist eine Möglichkeit, um in Sicherheit Fehler machen können, da die eigentliche Beziehung zum Tier nicht bedroht wird.“

Positive Entwicklungen hat Beke schon so einige erlebt: „Eines unserer Kinder hat bei Stress schnell den Appetit verloren und war deshalb auch kurzzeitig im Krankenhaus. Wir haben dann zusammen mit den Pferden ein Picknick gemacht, sie wurde beim Essen deutlich entspannter und konnte lernen, wieder in Ruhe zu essen. Ein anderes Kind zeigte sehr aggressives Verhalten in der Kindergruppe, suchte sich hier aber das größte Pferd und war im Umgang sehr liebevoll.“