Hintergrund

Hilde Weiper ist Heilpädagogin und betreut junge Mütter in den Mutter-und-Kind WGs der Kleinen Strolche

„Wie soll man einem Kind ein Fundament geben, wenn einem selbst der Boden fehlt?“

Zehn junge Mütter und 15 Kinder leben derzeit in den Mutter und Kind WGs des Kinderheims Kleine Strolche. Alle kommen aus einer schwierigen Lebenssituation, in der meist Gewalterfahrungen, Drogen oder die Co-Abhängigkeit von einem Partner das Leben dominierte. Für viele ist die Mutter-Kind-Maßnahme die letzte Chance, ihr Kind oder ihre Kinder bei sich behalten zu dürfen. Ein multiprofessionelles Team aus Therapeuten, Hebammen und Pädagogen ist 24 Stunden am Tag für die jungen Frauen da und bereitet sie während der Zeit bei den Kleinen Strolchen intensiv auf ein eigenständiges Leben vor. Die jungen Mütter lernen, ein Kind bedarfsgerecht zu versorgen, den Alltag zu meistern, einen Haushalt zu führen und entwickeln gemeinsam mit dem Kleine Strolche Team Perspektiven für Schule und Beruf. Hilde Weiper ist Diplom Heilpädagogin und Therapeutin. Einmal in der Woche führen alle Mütter ein Gespräch mit ihr – verpflichtend.

Doch bis es überhaupt zu einem Gespräch kommt, ist es oft schon ein langer Weg. „Viele Frauen haben nie gelernt, sich zu öffnen oder über ihre Gefühle zu sprechen“, erzählt Hilde aus ihrer langjährigen Erfahrung. „Erst wenn sie uns vertrauen und spüren, dass sie so sein dürfen, wie sie sind und bei uns keinerlei Bewertung und Beurteilung stattfindet, ist die Grundlage für unsere Gespräche gelegt.“ Denn die meisten Frauen kommen aus einem zerrütteten Familiensystem und haben in ihrem Leben bisher nur wenig Unterstützung erfahren. „Und das ist das Kernproblem: Wie soll man einem Kind ein Fundament geben, wenn einem selbst der Boden fehlt?“ Das A und O sei es zu lernen, wo die eigenen Grenzen sind, und zu wissen, dass man nicht alles alleine schaffen muss und jedes Recht hat, sich Hilfe zu holen. Was während der Gespräche zum Thema gemacht wird, entscheiden die Frauen selbst. „In erster Linie geht es darum, den Müttern Raum für sich selbst zu geben“, so Hilde. „Es können Fragen zur Erziehung der Kinder, zum Alltag oder zu einem aktuellen persönlichen Thema sein.“ Die Frauen lernen, sich und ihre Verhaltensweisen zu reflektieren. Auch die Vergangenheit findet ihren Raum. „Wir entwickeln uns aus unserer Vergangenheit heraus. Hier wird die Grundlage gelegt, ob wir in Kontakt gehen können und welche Bindung wir aufbauen können. Und das wiederum ist die Basis dafür, die Bedürfnisse von Kindern erkennen und in den Vordergrund stellen zu können.“ Trotz aller Hilfestellungen geht nicht jede Mutter-Kind-Maßnahme gut aus. Nicht immer ist es möglich, dass die Kinder bei ihren Müttern bleiben. „Man spürt schon sehr schnell, ob Grundpotential vorhanden ist, eine tragfähige Mutter-Kind-Bindung aufzubauen.“ Ob sie diese Fälle belasten? Nein, ist Hilde ganz klar. Der Schutz des Kindes habe immer die oberste Priorität. „Ich frage mich natürlich, was diese Frauen in ihrem Leben durchgemacht haben, dass sie von ihren Gefühlen so abgeschnitten sind, dass sie selbst ihr eigenes Kind nicht an sich heranlassen können. Aber ich hatte bei diesen Fällen dann auch immer das Gefühl, dass es für das Kind besser ist, woanders aufzuwachsen.“ Es gibt auch Fälle, bei denen sich die Mütter bewusst dafür entscheiden, dass sie ein Leben ohne ihr Kind führen möchten. „Wir begleiten die Frauen dann auch in dieser Entscheidung, die oft mutig und im Sinne des Kindes ist. Unser Job ist es dann, gemeinsam mit dem Jugendamt, eine Perspektive für das Kind zu finden.“