08. Dezember
Mehr als nur ein Job
Es gibt einen Satz, den wir in unserer Arbeit immer wieder hören. Meistens scherzhaft gemeint.
Manchmal leichtfertig. Selten wirklich böse. „Bei euch ist es doch gemütlich. Ihr spielt ein bisschen.
Trinkt Kaffee. Betreut ein paar Kinder.“ Und jedes Mal merke ich, wie mein Team darauf reagiert — nicht gekränkt, sondern innerlich wissend. Weil wir alle wissen, dass das Bild von außen oft ein anderes ist als das, was tatsächlich passiert. Ja, wir trinken auch mal Kaffee. Wir basteln. Wir spielen. Wir lachen. Aber das ist nur ein Bruchteil dessen, was unser Beruf bedeutet. Unsere Arbeit ist: Bindung aufbauen. Vertrauen schaffen. Unsichtbare Lasten erkennen. Tränen begleiten. Wut aushalten. Nähe geben, wo Distanz gewachsen ist. Strukturen schaffen, wo Chaos herrscht. Sicherheit geben, wo Unsicherheit überwiegt. Ruhig bleiben, wo Emotionen überschäumen. Standhalten, wo Verhalten laut wird. Ein Kind zu trösten ist nicht „nur“ trösten. Es ist Beziehung. Verbindlichkeit. Stabilität. Ein Kind zu begleiten ist nicht „nur“ begleiten. Es ist Haltung. Verlässlichkeit. Präsenz. Eine Mitarbeiterin erzählte mir neulich von einer Situation, die sie nie vergessen wird: Ein Kind war so überfordert, so wütend, so voller Emotionen, dass es seinen geliebten Dino — mit voller Kraft — gegen ihren Kopf schleuderte. Der Aufprall war heftig. Später wurde klar: eine Gehirnerschütterung. Und trotzdem sagte sie: „Ich weiß, dass das nicht gegen mich war. Es war Verzweiflung. Es war Überforderung. Es war zu viel — für ihn.“ Kein Vorwurf. Keine Schuld. Nur Verständnis. Nur Menschlichkeit. Das ist unsere Arbeit: hinschauen, wo andere wegsehen. Aushalten, was andere nicht aushalten können. Fühlen, was Kinder (noch) nicht benennen können. Und trotzdem dableiben. Leise. Stark. Mit ganz viel Haltung.
